Partner und Problemlöser der kleinen und mittleren Unternehmen
Wechselwirkung
Immer mehr Unternehmen suchen einen Nachfolger – und haben Probleme, fündig zu werden. Warum das so ist, wie wir Senior-Unternehmer auf ihrem Weg unterstützen und junge Übernehmer begleiten, darüber haben wir mit Clemens Schäfer gesprochen. Er ist einer unserer Experten für Unternehmensnachfolge und Existenzgründung.
Hat Deutschland ein Nachwuchsproblem, Herr Schäfer?
(lacht). Sagen wir so: Etliche Unternehmer und Unternehmerinnen haben definitiv Schwierigkeiten, einen geeigneten Nachfolger zu finden, wenn sie in den Ruhestand gehen möchten. Das merken wir auch daran, dass noch nie so viele suchende Alt-Inhaber unsere Beratung in Anspruch genommen haben. Übrigens ein Trend, den deutschlandweit alle IHKs spüren.
In Zahlen ausgedrückt?
Die Besuchszahlen unseres jährlichen IHK-Nachfolgesprechtags und den regelmäßigen Beratungen sind im vergangenen Jahr um 52 Prozent gestiegen. 2017 haben wir mehr als 120 Unternehmerinnen und Unternehmer beraten. Und 2018 erwarten wir erneut eine Steigerung.
Woran liegt das?
Unsere Gesellschaft wird älter. Immer mehr Unternehmer erreichen das Ruhestandsalter. Dieser starken Fraktion steht eine Generation von 25- bis 45-Jährigen gegenüber, die zahlenmäßig weitaus schwächer ist. Angesichts der guten Arbeitsmarktsituation – Stichwort Fachkräftemangel – denkt gerade diese Altersgruppe jedoch an einen gut dotierten und sicheren Job, andere versuchen mit dem Aufbau einer selbstständigen Existenz eine eigene Idee umzusetzen. Als Nachfolger in ein bestehendes Unternehmen einzutreten, daran denken die wenigsten. Seit 2014 ist die Zahl der suchenden Alt-Eigentümer höher als die der Übernahmeinteressenten. Und die Schere geht immer weiter auseinander.
Gibt es Branchen, die besonders betroffen sind?
Ja. Das haben uns die Ergebnisse einer von uns durchgeführten Befragung von Unternehmern im Ruhestandsalter gezeigt. Sie kamen aus der IT- Branche, dem Einzelhandel und der Gastronomie. Besonders in der Gastronomie sind viele betroffen, hier suchen in den nächsten drei bis fünf Jahren mehr als 40 Prozent der befragten Unternehmen einen Nachfolger. Im Einzelhandel wollen 22 Prozent einen Nachfolger finden. Etliche wollen den Betrieb aber ganz schließen. Noch drastischer sieht es in der IT-Branche aus. Nur magere 7 Prozent wollen den Betrieb weiterführen und suchen einen Nachfolger, 82 Prozent wollen den Betrieb dicht machen.
Sind es denn nur zögernde Seniorchefs, die die Nachfolge erschweren?
Nicht nur, es gibt auch andere Faktoren. Nach der Reform der Erbschaftssteuer war zum Beispiel die Verunsicherung bei Nachfolgern sehr hoch. Gerade wenn ein Unternehmen innerhalb der Familie übergeben wird, fürchten potenzielle Übernehmer eine zu hohe steuerliche Belastung mit der Erbschaftssteuer. Außerdem sind noch viele Fragen offen, was die Umsetzung der Steuer in der Praxis angeht. Aber grundsätzlich machen sich immer noch viele Unternehmer zu wenig Gedanken über eine Nachfolgeregelung. 42 Prozent suchen erst dann eine Beratungsstelle auf, wenn es fünf vor zwölf ist.
Welche Rolle spielt Überforderung?
Eine nicht unbedeutende. Sich um die Nachfolge zu kümmern heißt ja auch, sich mit unangenehmen Themen wie Loslassen, Alter, Krankheit, Tod auseinanderzusetzen. Auch mit der Frage, was denn das eigene Unternehmen – und damit die eigene Arbeit – tatsächlich „wert“ ist. Deshalb fordern auch rund 41 Prozent der Seniorunternehmer einen viel zu hohen Kaufpreis.
Sie befinden sich aber auch in einer sehr komplexen Situation, oder?
Absolut! Neben den Emotionen spielen auch betriebswirtschaftliche und rechtliche Aspekte eine große Rolle. Aber es ist auch ein Kommunikationsproblem: Für viele Betriebe gäbe es durchaus Interessenten. Oftmals sind es Unternehmen aus der Region, die bereits in der Branche tätig sind. Auch Existenzgründungen als Nachfolge sind üblich. Beide Zielgruppen müssen aber rechtzeitig erfahren, dass ein Unternehmer einen Nachfolger sucht. Von heute auf morgen geht das natürlich nicht.
Wie packen Sie das Problem an?
Die IHK Darmstadt unterstützt Betriebe durch sehr viele maßgeschneiderte Aktionen, die Fragesteller genau dort abholen, wo sie stehen. Unsere Mitgliederbetreuer sprechen zum Beispiel Seniorunternehmer auch gezielt auf das sensible Thema an. Sie besitzen nicht nur Know-how in steuerlichen, rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Punkten, sondern auch die notwendige soziale Intelligenz, das Fingerspitzengefühl, das man für ein solches Gespräch benötigt. Außerdem bieten wir monatlich Sprechtage zur Unternehmensnachfolge an und unterstützen so Übergeber und Übernehmer. Wir beraten aber auch sehr individuell vor Ort im Betrieb. Und natürlich vernetzen wir auch, wo wir nur können. Dazu gibt es beispielsweise die kostenlose „nexxt-change Unternehmensnachfolgebörse“ oder andere Unternehmensbörsen. Unser Notfallhandbuch für Unternehmer ist ein Baustein und ein erster Schritt zur Vorbereitung der Unternehmensnachfolge.